Ausbildung Presse USA 14.01.2018

Ausbildung für neues Fritz Winter-Werk in den USA

Die Fritz Winter Eisengießerei hat am 26.10.2017 ihren neuen US-Hauptsitz in Kentucky mit einer ersten Produktionslinie feierlich eingeweiht. Dort sollen unter anderem Bremsscheiben für US-Autofirmen produziert werden. 20 neu eingestellte US-Mitarbeiter für die dortige Produktion wurden im Vorfeld nach dem Train-the-Trainer-Verfahren im Stammwerk in Stadtallendorf intensiv ausgebildet. Sie sollen als Multiplikatoren ihr erworbenes Know-how an die künftigen US-Mitarbeiter am neuen Standort weitergeben. Grundlagen waren ein gezieltes Einarbeitungsprogramm sowie optimale Teamarbeit.

Knapp 7500 Kilometer trennen das hessische Stadtallendorf vom neuen Fritz Winter Drive im Industriepark Wilkey North bei Franklin/Kentucky, eine knappe Fahrstunde nördlich von Nashville/Tennessee, dem Zentrum der US-Country-Musik. Dort in den USA auf der grünen Wiese errichtete die Fritz Winter Eisengießerei GmbH & Co. KG den ersten Abschnitt ihres neuen Werkes: Auf einer Fläche von ca. 25 000 Quadratmetern entstand ein hochmoderner Gießereibetrieb mit mechanischer Bearbeitung und einer Jahreskapazität von mehr als 60 000 Tonnen Eisenguss. Die günstige Lage zwischen den europäischen Automobilherstellern im Süden der USA und den US-Herstellern im Norden bietet laut Jörg Rumikewitz, Vorsitzender der Geschäftsführung bei Fritz Winter, eine hervorragende Ausgangsposition. Das lassen sich die Eisengießer einiges kosten: Immerhin mehr als 100 Millionen Euro investieren sie in die erste Phase des Neubaus, 300 Mitarbeiter möchte man im ersten Schritt dort beschäftigen. Um sich in der Ferne einen frischen, gut qualifizierten Personalstamm aufzubauen, geht Fritz Winter ganz neue Wege: Die ersten 20 neu eingestellten US-Mitarbeiter für die Produktion wurden im hessischen Stammwerk intensiv nach dem Train-the-Trainer-Verfahren für ihren künftigen Arbeitsplatz geschult: Sie sollen zu Hause als Multiplikatoren ihr an den jeweiligen Fertigungsstationen in Stadtallendorf erworbenes firmenspezifisches Know-how an die künftigen US-Mitarbeiter weitergeben. „Diese Mitarbeiter sind sozusagen unser personelles Starterkit für die USA“, sagt Firat Saritekin, Industriemeister und Leiter der Formerei, der auch die technische Federführung für das US-Projekt innehat.

Sprachbarriere schnell überwunden

Zu diesem Zweck wurden hier Patenschaften etabliert: 30 Mentoren, erfahrene Fritz-Winter-Produktionsmitarbeiter, betreuen die Neuen, die in Übersee in den Bereichen Gießereifacharbeiter, Modellbauer, Elektriker, Mechatroniker oder CNC-Fräser tätig sein sollen und später vor Ort etwa als Teamleiter das neue US-Personal anleiten. Einer von ihnen ist Dennis Presly, der sich während seiner drei Monate bei Fritz Winter Kenntnisse bei der Überwachung und Steuerung am Gießofenleitstand aneignet: „Toll finde ich, dass ich eine ganze Menge neuer Erfahrungen mit über den großen Teich nehmen kann.“ Gleich zu Anfang galt es jedoch, eine große Hürde zu bezwingen: „Zunächst sind wir über die Sprachbarriere gestolpert, besonders was die Gießereifachsprache anbelangt“, erinnert sich Saritekin. Doch nach Überwindung der ersten Berührungsängste und ein wenig Small Talk zum Einstieg klappte die Verständigung immer besser, auch wenn man sich anfangs oft noch mittels Handy und Wörterbüchern bei der Kommunikation half. Auch Shawn Simmons und John Shannon Burton freuen sich auf ihr neues Engagement bei Fritz Winter in Kentucky: „Vor allem waren wir überrascht, wie gut hier die Arbeit im Team funktioniert“, sagen die beiden, die zuvor in einer US-Aluminiumgießerei gearbeitet haben, wo unter anderem Kfz-Stabilisatoren gefertigt wurden.

Auf die Frage, was sie bewogen hat, dann gerade bei Fritz Winter anzuheuern, beteuern sie: „Fritz Winter ist halt die Nummer eins der Branche und solch eine Chance, eine neue Produktionslinie von Grund auf zu errichten, ist eben einmalig.“ Auch das hohe Sicherheitsniveau in deutschen Betrieben habe sie angenehm überrascht, auch wenn dafür die Produktionssoftware etwas komplexer sei als heimische Lösungen. Das neue Starter-Team ist ausschließlich männlich. „Natürlich ist die Arbeit gerade in unserem Schmelzbetrieb rauer als in anderen Bereichen, aber es gibt viele Männer, die diese raue Arbeit, den Umgang mit flüssigem Eisen, besonders mögen“, erläutert Andreas Fiedler, Personalleiter der Fritz Winter Eisengießerei in Stadtallendorf. Da passt es ganz gut, dass ein relativ großer Teil der neuen US-Kollegen aus der in Kentucky recht häufig vertretenen Aluminiumgussbranche kommt.

Einarbeitung mit System

Damit die Einarbeitung auch reibungslos klappt, hatten die Mentoren zusammen mit den Bereichsleitern zunächst ein detailliertes Trainingsprogramm erstellt. Dazu zählen auch eigens in Englisch übersetzte Verhaltensregeln, Sicherheitshinweise sowie Arbeitsanweisungen, die z. B. zeigen, wie etwa die Maschinenbedienung der Formanlage oder das Umrüsten von Modellen in der Praxis sicher funktionieren. Schließlich kommt in Amerika eine baugleiche Formanlage wie in Stadtallendorf zum Einsatz. Auch das Verhalten bei Fehlerzuständen wurde intensiv trainiert. „Auf diese Weise können unsere neuen US-Kollegen viel Wissen mit an ihren künftigen Arbeitsplatz nehmen“, sagt Formerei-Chef Saritekin. Hinzu kamen noch Blockunterricht beim Verein Deutscher Giessereifachleute (VDG) sowie der Erwerb formeller Zulassungen, wie etwa Kran- oder Staplerführerscheine. Am Schluss einer Trainingseinheit stand jeweils schließlich ein sogenannter „Feedback-Bogen“, in dem das Können des Neuen bescheinigt wird. Ein duales Ausbildungssystem, wie es sich hierzulande seit Jahrzehnten etabliert und bewährt hat, ist in den USA eher unbekannt. Fachlich arbeitet man sich hier meist im Betrieb nach oben bis zum Teamleiter, Koordinator oder Supervisor. „Durchdachte Einarbeitungspläne haben uns beim zielführenden Training des neues Personals sehr geholfen“, bekräftigt Melanie Wagner, im Personalbereich mit zuständig für das Einarbeitungsprogramm: „Wir wussten ja schließlich vorher nicht so ganz genau, was auf uns zukommt. Rückblickend können wir aber sagen, dass alle neuen Kollegen die Chancen zu nutzen verstanden haben und sich unsere Strategie damit bewährt hat.“

Das empfindet auch Alan Morrison aus der Kernmacherei so – mit immerhin 28 Jahren Gießerei-Erfahrung so etwas wie der Senior unter den US-Kollegen. Auch er sieht das gute Teamworking bei Fritz Winter als großes Plus gegenüber vielen US-Firmen. „Ohne Freude bei der Arbeit kann man schließlich auch keinen guten Job machen“, so Morrison. Sein Mentor Michael Mai findet das genauso und ergänzt, dass die neuen Mitarbeiter alles ganz wissbegierig aufgenommen haben. Darüber hinaus sei eine Win-win-Situation entstanden, denn auch die deutschen Kollegen konnten im Austausch mit den neuen Kollegen ihre Sprachkenntnisse auffrischen und nicht zuletzt auch vom Erfahrungsschatz der Amerikaner profitieren. Damit für diese erst gar kein Heimweh aufkam, – fast alle US-Kollegen haben Familie daheim – gab es nach Feierabend außerbetriebliche Aktivitäten. Dabei wurden auch die Familien der deutschen Kollegen einbezogen. Auf dem Programm standen unter anderem gemeinsam Kegeln, Handball oder Billardspielen, aber auch ein Besuch einer US-Weltkriegsgedenkstätte. „So kommen wir letztlich auch zu einer Verbesserung der Völkerverständigung“, freut sich Niclas Ruhl, Industriemeister Fachrichtung Gießen, Putzerei und Pate bei der Formanlage. Einzig das Blue Moon-Bier mit Orange-Geschmack aus der Heimat Kentucky vermisste Kernmacher Alan Morrison ein wenig.

US-Kollegen helfen bei Einrichtung und Inbetriebnahme

Auf die Neuen wartet jedenfalls viel Arbeit am neuen US-Hauptsitz in Kentucky. Dort nimmt das neue Fritz Winter-Werk langsam Gestalt an: Aktuell werden schon die neuen Formmaschinen aufgebaut, Gießlinien sind im Aufbau und die neuen Öfen stehen noch verpackt in der neuen Halle, genauso wie die Maschinen für die mechanische Bearbeitung oder auch die Putzerei. „Die neuen Kollegen helfen nach ihrer Rückkehr bei Einrichtung und Inbetriebnahme der neuen Anlagen – alles bewährte Gießereitechnik, wie sie auch in Stadtallendorf zum Einsatz kommt“, so Jörg Schurich, Projektverantwortlicher für das US-Personal von Fritz Winter. Und auch die Mentoren und weitere Fritz Winter-Werker haben den Produktionsanlauf in Kentucky ab dem Frühsommer rund fünf Monate lang begleitet. Im Sommer sollten dann erste Produktionstests anlaufen und bis zum Jahresende erste bearbeitete Gussteile in kleinen Stückzahlen produziert werden. „Der Aufbau unseres neuen Werks in Franklin ist ein wichtiger Meilenstein in unserer Globalisierungsstrategie“, erläutert der CEO von Fritz Winter Jörg Rumikewitz: „Vorteilhaft für uns dort ist die zentrale Lage im Osten der USA und damit die Nähe zu unseren Kunden, hinzu kommt die Verfügbarkeit von hochqualifizierten Arbeitskräften und die hervorragende Infrastruktur vor Ort.“ Dies sei zunehmend wichtig, um die flexiblen Bedürfnisse der Automobilkunden befriedigen zu können. „Damit festigen wir weiter unsere Stellung auf einem der wichtigsten Automobilmärkte der Welt“, ergänzt Henning Knipper, der im Bereich Unternehmensentwicklung bei Fritz Winter tätig ist.

Es geht um Eisenguss-Bremsscheiben mit extrem engen Toleranzanforderungen, die Fritz Winter auch in der elektromobilen Auto-Zukunft ein auskömmliches Geschäft garantieren sollen. Denn die Gießer aus Stadtallendorf unweit von Marburg haben sich beinahe zu 100 Prozent dem Fahrzeugbau mit Produkten wie Bremsscheiben, Motorblöcken und Zylinderköpfen verschrieben. Zu den Kunden zählen fast alle Großen der Automobil-, Nutzfahrzeug- und Hydraulikindustrie. Eine Jahresschmelzkapazität von 1 000 000 Tonnen Flüssigeisen, mehr als 25 Millionen Gussteile und ca. 650 Millionen Euro Umsatz sind überzeugende Argumente dafür, sich größte konzernunabhängige Gießerei Europas zu nennen. Richtig los bei Fritz Winter USA geht es aber erst 2018 nach dem Hochlauf der Fertigung auf die volle Kapazität. „Wir freuen uns auf unsere Zukunft in Kentucky“, fasst Jörg Rumikewitz seine Erwartungen über den neuen Standort abschließend in Worte.